Sehr geehrte Damen und Herren,
wir, die Bürgerinitiative N.o.W.! engagieren uns für den Erhalt der Kulturlandschaft und des geschlossenen Ökosystems Naturpark Hochtaunus.
Die Errichtung eines Windparks in Neu-Anspach, mitten im Naturpark Hochtaunus, dem Erholungsraum für das Rhein-Main-Gebiet, hat hier in der Region und darüber hinaus eine sehr große Bedeutung für Mensch und Natur.
Ziel unseres offenen Briefes ist es, die von juwi für das Projekt Neu-Anspach präsentierten Winddaten kritisch zu hinterfragen und die Öffentlichkeit und vor allem Investoren auf die überzogenen Ertragsprognosen hinzuweisen.
Für potentielle Investoren (Banken/Bürger) sind realistische Winddaten unverzichtbar, um weitere Insolvenzen à la Prokon mit Teil- oder Totalverlusten des eingesetzten Kapitals zu vermeiden. Eine Anwendung entsprechender juwi-Messmethoden lässt nachhaltig an der juwi-Prognose zweifeln.
Nachdem sowohl die Daten der Stationen am Kleinen Feldberg als auch die Daten von Brandholz und die TÜV-Winddaten sehr gut auf deutlich niedrigerem Wind-Niveau korrelieren und auch die Windrichtungsrosen recht symmetrisch erscheinen, sind diese Zweifel mehr als berechtigt.
Es ist insofern davon auszugehen, dass die von juwi genannten Werte vom bereitgestellten Ergebnis unbrauchbar sind und daher einen falschen wirtschaftlichen Ertrag suggerieren. Unsere These, wird zudem auch unterstützt durch die Kündigung des Kooperationsvertrages mit juwi durch die Pfalzwerke im vergangenen Jahr[1], da auch hier juwi dauerhaft um bis zu 20 Prozent zu hohe Winderträge prognostizierte.
Zu den Fakten:
In der TULFA-Ausschuss-Sitzung (Ausschuss für Tourismus, Land- und Forstwirtschaft) vom 5. Juni 2014 wurde der Stadt Neu-Anspach von Vertretern der juwi die im Zeitraum von November 2013 bis Mai 2014 berechneten Winddaten vorgestellt. Es wurde für den Standort Langhals (dem nach Aussage von juwi windreichstem Standort) eine durchschnittliche Windgeschwindigkeit von 7,6 m/s in diesem Zeitraum prognostiziert. Die anderen 4 Standorte sollen laut juwi geringfügig unter diesem Wert liegen, die Daten dafür wurden aber nicht explizit genannt. Entgegen der Zusage von juwi wurden die vorgestellte Präsentation sowie die fehlenden Werte für die anderen Standorte bis heute nicht veröffentlicht.
Basierend auf Messdaten der vom HLUG[2] betriebenen Station am Kleinen Feldberg (Entfernung zum Messstandort 6,8 km) und des Messstandortes Brandholz vom DWD[3] (Entfernung des Messstandortes Langhals 5,7 km) haben unsere Sachverständigen eigene Windpotenzialanalysen erstellt. Diese kommen zu dem Ergebnis, dass die juwi-Winddaten deutlich überhöht prognostiziert wurden, nämlich um einen Wert von 20 Prozent.
In Anlage 2 sind in die Windkarte des TÜV die Standorte Kleiner Feldberg (826 m), Langhals (574 m), Brandholz (340 m) eingezeichnet. Es ist offensichtlich, dass der Langhals zwischen den beiden Messpunkten angeordnet ist. Die aus ½-Stunden-Messwerten ermittelten Durchschnittswerte am Kleinen Feldberg für die generell windstärksten Monate Oktober 2013 bis Mai 2014, hochgerechnet auf Nabenhöhe, sind sowohl am Kleinen Feldberg, als auch am Standort Brandholz (Jahresmittelwert 2005) mit Werten um 5,8 m/s nicht signifikant verschieden, was deutlich höhere Werte am Langhals als unglaubwürdig erscheinen lässt.
Wichtig zur Beurteilung der Windgeschwindigkeiten sind neben den Messwerten auch die vorherrschenden Windrichtungen.[4] Mit erfahrenen Piloten des Luftsportclubs Bad Homburg wurden an Hand der vorliegenden Informationen die realen Windverhältnisse entlang der Linie der drei Messorte diskutiert. Hierbei ging es speziell um die Frage, ob – durch Witterungseinflüsse, Bewaldung oder Landschaftstextur bedingt – deutliche Unterschiede in den Wind-geschwindigkeiten erklärbar sein könnten. Uns wurde eindeutig bestätigt, dass hier weder Düseneffekte noch ausgeprägte Aufwinde durch Thermik zu erwarten sind. Das Windgeschwindigkeitsprofil entlang der dargestellten Linie Kleiner Feldberg, Langhals, Brandholz wurde uns als homogen beschrieben.
Zusätzlich hat juwi auch ein Lidar-Messgerät in unmittelbarer Nähe des Windmess-mastes aufgebaut[5], um zu zeigen, dass die Berechnungen aufgrund der Daten des Messmastes korrekt sind. Jedoch wurde nach Auffassung der Autoren dieses unsachgemäß eingerichtet. So unterliegt dieses nicht nur durch seine Position direkt am Mast, nicht waagerechte Aufstellung und sondern auch zwischen den Abspannseilen einem Störeffekt. Damit sind die erhobenen Messungen für diese Zwecke unbrauchbar.[6]
Die von juwi vorgestellten Werte zeigten lediglich einen Mittelwert, welcher auf Nabenhöhe umgerechnet wurde. Generell ist ein Mittelwert alleine nicht ausreichend für die Beurteilung einer Abschätzung.[7] Rückschlüsse auf eine Häufigkeitsverteilung (wie oft weht der Wind wie stark) bzw. die Parameter für die bei Windmessungen gebräuchliche Weibull-Verteilung können nicht gezogen werden.
Wir zweifeln an, dass die Berechnungsmethodik von juwi mit dem Ausschluss aller Null-Werte aufgrund von zahlreichen Vereisungen der Messgeräte den konkreten statistischen Mittelwert wiedergibt.
Schließlich zeigt die Messstation vom Kleinen Feldberg in der identischen Messperiode nur einen Tag Ausfall an.
Mit freundlichen Grüßen
Annett Fomin-Fischer Ralph Bibo Arnt Sandler
Anlagen (5)
[1] Zeitungsbericht des Wiesbadener Tagblatt vom 30.10.2013, siehe Anlage 1
[2] HLUG: Die Abkürzung HLUG steht für Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie
[3] DWD: Die Abkürzung DWD steht für Deutschen Wetterdienst
[4] Hierzu sind die Windrosen zu den Standorten Kleiner Feldberg und Brandholz in Anlage 3 dargestellt
[5] Vgl. Anlage 4, eigene Aufnahme vom April 2014
[6] Laut Aufbauvorschriften für ein LIDAR soll dieses einen Abstand zum Messmast „mindestens 3-10 Meter“ betragen und das Gerät „muss waagerecht aufgestellt“ sein, „bewegliche Objekte“ im Scanbereich oberhalb des Gerätes „müssen vermieden werden. Siehe Guidelines for siting of Zephir (lidar) and comparison against a meteorological mast, 1/14/14, ZephIR Lidar Ltd., UK
[7] Vgl. hierzu Anlage 5